die goldene lagune

2.12 bis 16.12.16
die goldene discofaust

In meiner rechten Hand halte ich eine Barbie. Sie trägt ein rosafarbenes Minikleid. Ihre Augen glänzen erwartungsvoll, ihre blonden Haare sind mit einer Herzchen -Klammer zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. In meiner linken Hand steht ein barfüßiger Ken und entblößt seine blütenweißen Zähne. Er trägt einen strahlenden Anzug mit silbernem Glitzer-Stehkragen. Sie kommen sich näher. Ihre starren Plastiklippen berühren sich und werden weich, zu Plastikpudding und drücken sich leidenschaftlich wie zwei trockene Zungen ineinander. Whitney Houston überschlägt sich: „I wanna dance with somebody. I wanna feel the heat with somebody“. Ken schiebt seinen steifen Arm ausgestreckt zu einer Umarmung ihr entgegen, kommt aber nicht weit. Barbies Minikleid bleibt an seinem Daumen hängen und rutscht hoch. Barbie trägt keine Unterhose. Mir wird heiß.

Wie fühlte es sich an in der Pubertät zu sein? Welche Fragen haben uns bewegt? Wie haben wir uns unser erstes Mal vorgestellt? Wie haben wir gemerkt, dass unsere Brüste wuchsen? Was dachten die Jungs von uns? Hat es geholfen, blauen Lidschatten zu tragen? Wie wollten wir wirken? Was hatten die anderen, das wir nicht hatten? Wie haben wir uns erwachsen sein vorgestellt? Wann hatten wir unseren ersten Orgasmus? Warum war uns unsere Periode eigentlich damals so peinlich? Glaubten wir wirklich, dass Vanille Deo verführerisch wirkt? Wie kam es, dass die Worte der Hauptdarsteller im Film „Die blaue Lagune“ uns so berührten? „Ich habe so ein komisches Gefühl im Bauch.“ „Ich auch.“ „Mein Herz klopft so schnell.“ „Meins auch.“

Als nun erwachsene Frauen wollen wir zurückblicken und unsere Ausstellungsbesucher daran teilhaben lassen. Ob ihr gerade selbst mittendrin steckt, oder euch zurückerinnern wollt, seid willkommen in unserer goldenen Lagune!

Eure Goldene Discofaust

 

Die Goldene Discofaust

Wir alle studierten an der Kunsthochschule Kassel. Wir hatten gerade frisch zueinander gefunden, hatten erst einige Abende zusammen verbracht und uns lieb gewonnen. Eines Nachts auf der Tanzfläche in einem Kellerraum an der Uni feierten wir gemeinsam Olgas Geburtstag. Ilki machte mit wehender Faust Tanzschritte vor, die die anderen engagiert nachmachten. Jemand brüllte plötzlich „Discofaaaaaaaaaaaauuuust!“ Jemand anderes wickelte eine goldene Luftschlange um ihre Faust. Die Überlieferung klärt nicht eindeutig um welche Personen genau es sich dabei handelte. Da aber alle mitgröhlten, wurde so der Name zu unserem Kollektiv geboren.

Wir haben die Goldene Discofaust während des Studiums gegründet. Wir bestehen aus 9 Illustratorinnen, Comiczeichnerinnen und Fotografinnen. Wir zeichnen, wir erzählen Geschichten, wir entwerfen Bilder, wir bauen Objekte, wir kollagieren zu aktuellen, persönlichen oder unpersönlichen Themen. Wir haben uns mit Die Goldene Discofaust eine Plattform geschaffen, die uns ermöglicht, uns gegenseitig als einzelne Künstlerinnen zu fördern und als Gruppe interdisziplinäre Experimente zu wagen. Wir stehen stets im engen und immer auch kritischen Austausch miteinander. Unsere verschiedenen künstlerischen Ansätze formen ein buntes, extremes, direktes, verwirrendes, lautes Ganzes. Wir stellen Fanzines, Comics, Magazine, hochwertige Siebdruckerzeugnisse wie Plakate und Kalender her, meistens handgemacht und immer mit viel Liebe. Mit unseren Arbeiten sind wir auf den Comic- und Illustrationsfestivals in Europa unterwegs, entwickeln Ausstellungskonzepte und realisieren diese nun schon seit unserer Gründung regelmäßig.

Wir sind:
Ilki Kocer, Kirsten Rothbart, Sheree Domingo, Katharina Röser, Schirin Moaiyeri, Burcu Türker, Karolina Chyzewska, Nicole Sporrer, Olga Holzschuh

Ilki zeichnet vibrierende Geschichten von Kindern, seltsamen Kreaturen, Eltern, fantastischen Träumen und gesellschaftlichen Verwirrungen.

Kirsten illustriert in aufwändigen pastelligen Bildern moderne Gemütszustände, sexy Rock `n Roll Musikerinnen und düstere Intimitäten.

Sherees Geschichten handeln von vorlauten Mädchen, frechen Hunden, Kakteen mit Fratzen, eigensinnigen Senioren und rührenden Beziehungen.

Katharina baut in ihren Comics und ihren konzeptionellen Ansätzen abstrakte verschrobene Dystopien mit vielen nackten Menschen in unmöglichen Positionen. Und manchmal ist die Apokalypse nah.

Schirins Fotografien und Kollagen entführen in zweideutige, ahngungsvolle Dickichte, die doch immer ihren klaren Blick auf die moderne Gesellschaft wahren.

Burcus Geschichten vereinen melancholische Zeitsprünge mit harter Realität und romantischen Albernheiten.

Karolina gibt in ihren Comics und Animationen Einblick in intime Beziehungskonstellationen. In triefenden Posen und grellen Farben offenbaren ihre Figuren ihr Innerstes.

Nicole erzählt in ihren märchenhaften Bildern fantasievolle Geschichten aus fremden Welten.

Olga entwickelt mit ihren ausgeklügelten Fotografien eine rätselhafte und reflektierende Bildsprache und kreist kritisch um aktuelle Themen wie soziale Medien und Selbstdarstellungen.

Text: die goldene Discofaust